Ijsselmeerfliegen
Naturphänomen zwischen Ekel und Faszination
Einige Schülerinnen, die gerade von Bord ihres Plattbodenschiffs gegangen sind, starren entsetzt in den Himmel: Zwischen den Baumwipfeln von Medemblik fliegen Milliarden kleiner Ijsselmeerfliegen in riesigen Wolken. Immer neue Formen bilden die enormen Schwärme in der leichten Abendbriese, wabern durch die Luft. Begleitet wird das Spektakel von einem tiefen Brummen.
Schließlich wird es den ersten Klassenfahrerinnen zu viel: Mit den Armen heftig in der Luft wedelnd rennen Sie zurück zu ihrem Schiff. Einige Stunden später treffen wir sie in einer der Kneipen von Medemblick wieder: Noch immer geht der nervöse Blick in die Luft – obwohl der Spuk schon lange vorbei ist.
Die Ijsselmeerfliegen kennt wohl jeder Segler zwischen Lelystad und Den Oever: Gerade an warmen, fast windstillen Tagen in den Sommermonaten fallen urplötzlich tausende von kleinen Fliegen über alles her, was hell ist: Nicht nur Segel, Rumpf und Deck werden binnen Sekunden mit kleinem Getier bedeckt: Auch Arme und Beine sind beliebter Landeplatz für die unerwünschten Plagegeister. Für die Crew sind die Fliegen normalerweise völlig harmlos: Obwohl im Niederländischen „Muggen“ genannt, stechen sie nicht.
Lästig sind sie aber trotzdem: Eingeatmet verursachen sie unvermeidlich Hustenreiz und jucken in den Augen. Auf dem Schiff hinterlassen sie unzählige kleine Kadaver, die später nur sehr schwer wieder zu entfernen sind. Eingerollt ins Segel bleiben grünlich-schwarze Flecken zurück, die mit normalen Mitteln nicht zu entfernen sind.
In den Abendstunden verlagert sich die Pracht an Land: An den Ufern des Ijsselmeeres fliegen sie über Bäumen und Büschen. Wie das im Extremfall aussehen kann, zeigt das folgende Video von Sietse van Dellen vom Abschlussdeich, aufgenommen am 28. Juli 2016 gegen 19:30 Uhr.
Luken dicht!
Viel tun kann man gegen die Ijsselmeerfliegen nicht: Während für die Crew die üblichen Tipps wie Mückenspray und lange Kleidung gelten, kann man die Yacht kaum einhüllen oder vollständig einsprühen. Wenn die ersten Fliegen entdeckt werden, sollten aber sofort alle Öffnungen nach innen geschlossen oder mit Mückennetzen verhängt werden. Oft ist der Ansturm auch sofort vorbei, wenn der Wind aufbriest (oder die Yacht unter Motor schneller läuft). Dann gilt es, die Kadaver so schnell wie möglich aus dem Segel zu bekommen. Dabei auf keinen Fall reiben, wischen oder das Segel einrollen. Wenn das Tuch einfach ein wenig schlägt, fallen die Fliegen meist einfach aufs Deck, wo sie weggespült werden können.
Die Mückenschwärme sind übrigens kein neues Phänomen: Bereits seit der Fertigstellung des Abschlussdeiches (und der Trennung von Süßwasser im Ijsselmeer und Salzwasser in der Waddenzee) gibt es die kleinen Plagegeister. Ein Zusammenhang mit der Wasserqualität des Ijsselmeeres konnte wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.
Muggenradar
Wer sich vorab ein Bild über die zu erwartende Mückenplage machen will, kann sich auf dem Muggenradar (Mückenradar) von buienradar.nl (LINK) informieren:
In einem Vorhersagefilm wird dort die zu erwartende Aktivität für die nächste Woche gezeigt. Die Skala reicht von 1 – keine Aktivität bis 10 – sehr starke Mückenbelastung und deckt die gesamten Niederlande ab.
PS: Aufgrund Ihres Names dürfen die Ijsselmeerfliegen übrigens weder über den Deich ins Markermeer noch über den Abschlussdeich fliegen und treten auch jenseits der Schleusen fast nicht auf.
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