Marlene

Ankern…

Ankerphobie

Ankern ist ja so eine Sache und mindestens eine Wissenschaft für sich. Wer die einschlägige Fachliteratur dazu konsultiert oder gar in der Praxis umsetzen muss, wird schnell den heimischen Hafen zu schätzen wissen (und ich rede jetzt nicht von der Hafenkneipe). Was es dabei nicht alles zu bedenken gilt: Wie steht der Wind? Wie tief ist das Wasser und wieviel Kette muss ich dann stecken? Wie ist der Untergrund beschaffen (Stichwort Seegras, Steine oder Autowracks)? Fällt gar der Untergrund steil ab? Was ist mit Fallböen? Könnten noch andere neben mir ankern und mir die Bordwand zerbeulen? Ankerball? Reitgewicht? Teufelskralle? Schwoien? Ankerwache? GPS-Alarm? – und wenn irgendwas nicht richtig stimmt droht das unmittelbare Zerschellen an der Küste.

Ich habe noch gut in Erinnerung wie mir eine traurig tropfende Bavaria mit metergroßem Loch im Bauch vor Jahren deutlichen Respekt eingeflößt hat. Das Bild vor Augen bin ich in den diversen Ankerbuchten deutlich bedacht ans Ankern herangegangen und die Nächte am Haken waren meist auch nicht richtig ruhig… Wer’s schon mal gemacht hat, weiß wovon ich rede. Bojenfelder sind toll!

Ankern im Heegermeer

Nun ist Fryslân nicht Mallorca und hat deutlich weniger Ankerbuchten: Die Anzahl an Autowracks, Felsen und sonstigen Unterwasserwidrigkeiten hälst sich auch ziemlich in Grenzen (mal abgesehen von der recht ungefährlichen Sedimentschicht aus Handys, Sonnenbrillen, Schlüsseln und Entengrütze). Und so haben wir letztes Jahr den eigenen Kiel auch mal der eigenen Ankerkette anvertraut und die herannahende Front auf dem Heegermeer tapfer abgewettert. Und was soll ich sagen: Alles halb so wild! Der Kahn hat sich keinen Millimeter bewegt.

Die Marlene verfügt als großzügig ausgestattete Fast-Fahrtenyacht über zwei Anker: Ein einfacher, leichter Faltanker (Klappdraggen) für den Badestopp und ein schwerer Danforth-Anker (Leichtgewichtsanker) für die Nacht (vermutlich würde aber auch ein Eimer mit Steinen am Seil die Marlene an Ort und Stelle halten). Leicht zu verstauen und zu handhaben, liegt der Faltanker ziemlich weit oben in der Backskiste. Für die kurze Kaffeepause wird er kurz an die Kette angeschäkelt und geht mit reichlich Ankerkette an Ort und Stelle über Bord. Hier nochmal das korrekte Manöver (ohne Ankerwinsch, Tiefenmesser und sonstigen Schnickschnack – natürlich immer auf eigene Gefahr):

  • Anfahren gegen den Wind den Punkt an, wo der Anker liegen soll.
  • Vermindern der Fahrt immer weiter, bis zum Stillstand.
  • Wenn das Schiff steht (oder leicht rückwärts läuft), gibt der Skipper das Kommando „Lass fallen Anker“ oder auch „jo“.
  • Jetzt in langsamer Rückwärtsfahrt die Kette fieren, so dass sie in einer geraden Linie zu liegen kommt.
  • Kettenlänge: Wir werfen immer alles raus – schadet nichts, hält besser. Genug Platz ist ja da.
  • Wer keinen neuen Anker kaufen will, sollte das andere Ende übrigens vorher auf der Klampe belegen.
  • Anker einfahren: Ist die Kettenlänge gesteckt, langsam zurück, bis die Kette spannt. Nun langsam immer mehr Power geben. Mindestens halbe Kraft, und das eine Minute lang. Deckpeilungen an Land machen: Wenn der Baum vorm Haus auswandert, hat der Anker nicht gehalten (Vorsicht bei beweglichen Zielen: Kühe wandern auch schon mal selbständig aus).
  • Und natürlich: Ankerball (-Licht) setzen.

Mit dem Danforth geht die Übung natürlich genauso – allerdings ist das Ding deutlich unhandlicher und kommt bei uns nur bei schlechtem Wetter und in der Nacht zum Einsatz.

Was man lieber lassen sollte

Hägar ankert

Den Anker im Schiff fallen lassen: Im besten Fall gibt’s einen gebrochenen Fuß – im schlimmsten Fall durchschlägt er Deck und Rumpf.

Die Liebste mit dem Anker rausschwimmen lassen: Wir haben’s ausprobiert – ein 20kg Anker ist für die Schwimmdynamik nicht von Vorteil. Und das einrucken klappt auch nur sehr suboptimal. Eine ähnlich Aktion habe ich mit Dingi und Dickschiffanker auf Elba bestaunen dürfen: War zumindest großartiges Hafenkino. Merke: Wenn die Nachbarn die Fender raushängen, ist irgendwas verkehrt.

Den Anker nicht richtig festschäkeln ist eigentlich kein Problem – der Segelausstatter des Vertrauens freut sich über den Extra-Umsatz.

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