Da stehen wir nun in der großen Lorentz-Schleuse in Kornwerderzand: Das überschaubare Ijsselmeer im Rücken, die große, böse Nordsee vor dem Bug und hinter den Schleusentoren…
Das Ijsselmeer kann ja per se schon bedrohlich sein (vor allem wegen der vielen Mücken und Fliegen bei Flaute) geht es nun in Richtung der ganz großen, weiten Welt des Wattenmeers. Nicht ganz Biskaya, aber immerhin: Große Wellen, große Fische (und Seeungeheuer vermutlich), große Schiffe und ganz viel Ebbe und Flut und anderes Gezeitengedöns werfen dann doch kurz die Frage auf, ob das wirklich ein guter Plan war mit unserem Törnziel Texel und ob wir nicht auf dem nächsten Riff (Sandbank) zerschellen (kurz aufsetzen).
Der Plan
Die Idee, die westfriesischen Inseln im Urlaub auf eigenem Kiel abzuklappern und von einem karibisch anmutendem Traumstrand zum nächsten zu bummeln, war eigentlich schon im Regensommer 2014 geboren und seitdem in der uns eigenen Art mit absoluter Dringlichkeit und Stringenz vorangetrieben worden. Naja – irgendwann waren Kartenmaterial, Gezeitentafel, Stromatlas und natürlich ein der bedrohlich großen Gefahr entsprechender Vorrat an Signalmitteln vorhanden und auch die Route grob abgesteckt. Just: Zwischen Plan und Wirklichkeit steht dann doch meistens das eine oder andere kleinere Problem. Bei uns mit dem Namen „Gezeitenrechnung“. Theoretisch alles kein Ding: Man muss einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort abfahren und sich von Strom und Wind zum Ziel tragen lassen – haben wir ja alles am gemütlichen Schreibtisch im SBF See Kurs gelernt. Praktisch eine Gleichung mit vier Unbekannten.
Die Lösung
Des Rätsels Lösung kam daher in Form von Andreas, seines Zeichens Betreiber von Leichtmatrose.de, SSS-Ausbilder und Stammcrew-Mitglied der Roald Amundsen: Bei reichlich Grillgut und Kölsch im rechtsrheinischen Garten ging’s nochmal durch die (danach nicht mehr ganz so) graue Theorie. Andreas war so lieb, uns die Zusammenhänge von „strom- und wetteroptimierter Törn-Planung“, „Flachs, Tiefgang und Tidenhub“ oder den Einfluss der Windrichtung auf die Wassertiefe nochmal zu entschlüsseln.
Mit dabei die gesammelte Besatzung unserer Lieblings-Biga Fofftein und natürlich Pia.
Man fühlt sich schon ganz weit vorne, wenn man Sätze wie den folgenden zerstörungsfrei hinbekommt: „Ablegen in Den Oever 1 ½ Stunden vor NW. Man fährt dann zunächst mit dem Ebbstrom; und erst ziemlich weit draußen werden wir den Flutstrom bekommen, der uns im Texelstroom nach Oudeschild bringt.“
Eigentlich war nach dem Abend denn auch alles klar und sogar das heimische Nachrechnen hat nach nur drei Stunden zu einem (für mich) halbwegs plausiblen Ergebnis geführt.
Die Umsetzung
Unter Deck und bei Real-Bedingungen sieht die Lage dann doch schon etwas anders aus: Einerseits mussten wir feststellen, dass die Gezeiten sich so gar nicht nach unserem Biorhythmus richten wollten. 4:40 Uhr ablegen in Den Oever ist einfach in unserem Quellcode nicht abgelegt. Der Slot zwölf Stunden später war aus dem Rennen, weil dies eine Fahrt in die Nacht bedeutet hätte, was mangels Erfahrung und ordentlicher Beleuchtung auch nicht optimal war. Guter Rat teuer am improvisierten Kartentisch.
Was macht also der leidgeprüfte Segler? Er disponiert halt um: Statt mit schlechter Laue durch die Nacht zu gondeln, mit Frühstück im und Sonnenschein auf dem Bauch von Makkum los und raus aufs Ijsselmeer und Richtung Abschlussdeich und Kornwerderzand mit dem Ziel Texel gegen Harlingen auszutauschen. Festland ist auch schön und Wattenmeer gibt’s damit auch. Und da stehen wir nun im großen Schleusenbecken (fast) mutterseelenallein und langsam strömt das Salzwasser in die Kammern….
Von Kornwerderzand nach Harlingen
Nun gut – bei ordentlichem Wetter und mit der theoretischen Gewissheit, dass das Fahrwasser schon tief genug sein wird, ist die Fahrt nach Harlingen nun doch verhältnismäßig einfach. Das Fahrwasser, dass Kornwerderzand und Harlingen verbindet heißt „Boontjes“ und ist eigentlich eine Schiffsautobahn: Fähren, Segler, MoBos und Frachter pendeln in recht enger Taktung hin und her, Langweile kommt also nicht auf. Speziell vor und in der Hafeneinfahrt von Harlingen ist viel los und die Texel- und Terschelling-Fähren sind wirklich zügig unterwegs.
Trotz Wind gegenan und mäßiger Welle war die Fahrt dann doch recht entspannt: Kein Seeungeheuer, kein Riff, kein Problem. Und der Finger im Wasser hat bewiesen: Salzwassertaufe bestanden! Und unterwegs gabs auch noch einen Schluck für Rasmus vom guten Frysk Hynder aus dem Zollschapp.
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AIS Live Tracker
Wenn die Schiffe nicht automatisch angezeigt werden, kurz in der Karte zoomen….
Die AIS Übersicht eignet sich natürlich NICHT für Navigationszwecke.
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