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Interview mit Guido Dwersteg

Interview mit Guido Dwersteg

Vor ein paar Tagen haben wir Euch “Einhand um den Atlantik” von Guido Dwersteg vorgestellt: Nur fünf Jahre hat Guido gebraucht, um vom Mitsegler bei einem Freund zum Einhand-Atlantiktörn auf einer gebrauchten Bavaria 31 aufzubrechen. In Rekordzeit macht er Segelscheine, sammelt eifrig Erfahrung, kauft seine Yacht „Carpe Diem“ und setzt die Segel zum Schlag über den Atlantik und wieder zurück.
Heute ist er ist ein gefragter Mann: Zwischen Vortragsveranstaltungen, Presseterminen und Törns mit seiner Bavaria „Carpe Diem“ hat sich der Einhandsegler, YouTube-Star und Blogger trotzdem Zeit für ein Interview mit uns genommen.

Fryslân-Sailor: Du warst nach Deiner ersten Reise beim ZDF und SWR, heute hältst Du Vorträge und hast ein erfolgreiches Buch. Bei den unzähligen Bloggern und Reiseautoren: Was ist Dein Erfolgsrezept?

Guido Dwersteg: Gute Frage. Ehrlich gesagt kann ich den ganzen Hype, den ich da plötzlich erlebt und ausgelöst habe, selbst bis heute nicht ganz verstehen. Angefangen hat wohl alles mit den kurzen Clips auf YouTube und dem Blog auf meiner Webseite www.törn.de. Da waren plötzlich Unmengen an Menschen unterwegs und die YouTube-Videos gingen regelrecht durch die Decke. Und das obwohl ich meine Videos zunächst nur für den eigenen “Hausgebrauch” gemacht hatte und nur mal versuchsweise bei YouTube ein paar Schnipsel gepostet habe.Guido Dwersteg
Als dann immer mehr Fragen nach einem Film kamen, habe ich da natürlich umgeswitcht und mich hingesetzt, um die Törn.de-Doku zu realisieren. Das mit dem TV, Radio und letztlich auch dem Buch ist mir auch quasi in den Schoss gefallen. Das ZDF und der SWR haben sich von selbst bei mir gemeldet und gefragt, ob ich nicht Lust auf ein Interview hätte. Da sage ich natürlich nicht nein. Und auch als irgendwann eine Mail von Delius-Klasing in meine Mailbox flatterte war die Freude natürlich groß. Auch wenn ich anfangs schon etwas Bammel vor dem Unternehmen “Buch schreiben” hatte.
Wenn man den vielen Menschen glaubt, mit denen ich in der Zwischenzeit sprechen konnte und die mich teilweise sogar als ihr persönliches Vorbild sehen, scheint der eigentliche Knackpunkt ein gewisser Humor, vor allem aber die Authentizität der Filme und des Buchs zu sein. Ich habe da nicht versucht aufzuschneiden oder mit Seemannsgarn auszuschmücken. Das mag ich nämlich selbst nicht besonders. Das ist bei den Leuten scheinbar positiv angekommen – was mich natürlich auch freut.

Fryslân-Sailor: Die Angst, nach einer solchen Reise hinterher kein Auskommen mehr zu haben, hält sicher viele davon ab, sich Ihren Lebenstraum zu erfüllen. Wie entschließt man sich, die eigene Komfortzone zu verlassen, Sicherheit und Arbeitsplatz aufzugeben und auf Langfahrt zu gehen? Wie bist Du mit der Unsicherheit umgegangen, hinterher keinen Job, kein Geschäft mehr zu haben?

Guido Dwersteg: Tja, das ist echt so eine Sache. Ich hab’s einfach gemacht. Ich war damals schon seit 15 Jahren selbständig. Da kennt man das “auf und ab” in Sachen Job, Aufträge und Geld eigentlich schon ganz gut. Das hat mir also nicht so richtig Angst gemacht. Auch wenn’s blöd und abgedroschen klingt: Irgendwie geht’s halt doch immer weiter. Ich hatte natürlich insoweit einen Vorteil, dass ich beispielsweise kein Haus abzubezahlen habe oder eine Familie zu versorgen hatte. Das macht sicher die Entscheidung etwas leichter.

Fryslân-Sailor: Wie hast Du Dir den “Wiedereintritt” ins normale Leben vorgestellt und wie war es tatsächlich? Womit verdienst Du heute Dein Geld?Guido Dwersteg

Guido Dwersteg: Der Wiedereintritt geht doch schneller als man so denkt. Ich war jedenfalls recht schnell wieder im Alltag. Wobei mein “Alltag” seit der Reise doch sehr viel mehr mit dem Segeln zu tun hat als vorher. Ich arbeite als Skipper, halte Vorträge, der Film und das Buch verkaufen sich nach wie vor erfreulich gut. Und damit ist auch schon die Frage nach meinem gegenwärtigen Einkommen beantwortet. Zwar versuche ich parallel auch mein eigentliches IT-Geschäft wieder zu beleben. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, fällt das schwer und macht auch nur bedingt Spaß wenn man sein Geld auch “unter Segeln” verdienen kann. Mal schauen, wie sich das so weiter entwickelt. Bin selbst gespannt…

Fryslân-Sailor: Die „Carpe Diem“ zählt nicht gerade zu den großen Yachten am Steg. Ist es nicht unglaublich riskant, auf einer so kleinen Yacht über den Atlantik zu segeln?

Guido Dwersteg: Meines Erachtens nicht. Das Boot ist zwar recht klein und hatte zu Beginn auch nicht die notwendige Ausrüstung und Ausstattung, dafür hat Carpe aber ein Hochsee-Zertifikat vom Germanischen Lloyd. Rein von der Zertifizierung her war und ist sie also schon für die Hohe See geeignet. Der Rest ist dann Auf- und Umrüstung, Umsicht und Vorsicht sowie etwas seemännische Fähigkeiten. Ich sage auch immer gern, dass man vor 25 Jahren mit einer 32er ein großes Boot im Hafen war. Heute bist du ein Zwerg. Über die Ozeane sind die Menschen aber auch damals schon gesegelt. Und noch früher. Wie zum Beispiel mein persönliches Vorbild Wilfried Erdmann, der Ende der 60er mit einem 8 Meter Holzboot sogar Einhand um die ganze Welt segelte.

Fryslân-Sailor:  In Deinem Buch beschreibst du den Etappen-Schlaf in Küstennähe, kein Tiefschlaf, 20-30 Minuten am Stück maximal. Ist das nicht unendlich zermürbend und auch gefährlich?

Guido Dwersteg: Das ist es. Gerade die nur sehr kurzen Schlafetappen in Küstennähe oder bei schlechtem Wetter machen einen doch ganz schön fertig. Das daraus resultierende Gefühl ist schwer zu beschrieben. Alles läuft irgendwie auf Sparflamme und selbst die einfachsten Dinge fangen an, schwer zu fallen oder erfordern die volle Konzentration. Über Wochen und Monate kann man das meines Erachtens sicher auch nicht wirklich durchhalten. Von daher habe ich mich auf dem Atlantik bzw. weit von Küste und Verkehr entfernt auch von den kurzen Schlafetappen verabschiedet und mich einfach hingelegt, wenn ich müde war. So etablierten sich Etappen von ein bis manchmal sogar zwei Stunden. Das hat dann viel geholfen und ich fühlte mich anschließend wieder halbwegs fit. In der Zwischenzeit habe ich mich dann einfach aufs AIS und etwas Gottvertrauen verlassen. 100% Sicherheit gibt es nicht.

Fryslân-Sailor:  Du hast Dir unterwegs nicht unerhebliche Verletzungen zugezogen – inclusive einer Bandscheiben-OP und einem gebrochenen Zeh – und viele Rückschläge eingesteckt. Was hat Dich davon abgehalten, einfach alles hinzuwerfen, die Carpe zu verkaufen und heimzufahren?

Guido Dwersteg: Den Punkt Aufzugeben gab’s in der Tat. Genauer gesagt auf den Kapverden. Ich war echt ganz schön fertig mit der Welt, denn die langen und schweren Etappen zu den Kanaren und den Kapverden hatten mir zuvor einiges abverlangt. Die drei Wochen Pause auf den Kapverden waren insoweit die wichtigste und richtigste Entscheidung der ganzen Reise. Danach waren die Akkus wieder voll und ich guten Mutes, die Reise in die Karibik zu einem Abschluss zu bringen. Was den Rückweg angeht, so hatte ich da ja auch etwas Zeit, mir das zu überlegen und vorher zu regenerieren. Hart war es trotzdem. Gerade vor den Azoren und später die Sache mit dem Rücken. Aber ich wollte es dann zu Ende bringen und natürlich auch mein geliebtes Boot wieder nach Hause. Man bringt da doch mehr Kräfte und Ausdauer auf als man vorher selbst für möglich hält. Wenn man mal unterwegs ist, ist das mit dem Aufgeben ohnehin nur noch eine theoretische Möglichkeit.

Fryslân-Sailor:  Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit Deinen Projekten! Und natürlich: Handbreit!!

 

Guido DwerstegEinhand um den Atlantik
Gebundene Ausgabe308 Seiten
VerlagDelius Klasing (7. März 2016)
ISBN-13978-366710427
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